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(Dezember 2024)
Diesen Monat ist mal wieder Weihnachten. Wir singen besinnlich „Stille Nacht, heilige Nacht“. Und in die Stille hinein tönt es „Süsser die Glocken nie klingen“. Ja, tatsächlich klingen sie ganz süss, nämlich die Ladenglocken. Heiliger Bimbam. Und nicht nur sie klingeln, sondern auch die Kassen. Denn es gilt: „Macht hoch die Tür, die Tor‘ macht weit, es ist jetzt wieder Shopping - Zeit“. Oh, sorry, ich glaube, jetzt habe ich mich wirklich im Text vertan, auch wenn es sich noch so schön reimt. Aber die Türen zum Kaufhaus sind tatsächlich weit offen. Nicht nur für uns, sondern auch für diejenigen, die fürs Schenken zuständig sind. Je nachdem, an wen man glaubt.
Da ist zum einen das Christkind. Ich selber war von diesem geheimnisvollen Wesen während meiner Kindheit verzaubert. Unmittelbar bevor wir ins kerzenbeleuchtete Weihnachtszimmer gehen durften, war noch das Christkind hier drin! Ich meinte immer, noch etwas Silberstaub und Heiligkeit sehen und fühlen zu können. Bis ich meinen Vater dabei erwischte, wie er die letzten Päckchen unter den Baum legte. Der Zauber war ab sofort beendet, was ich total schade und ernüchternd fand. Zauber lebt schliesslich vom Geheimnisvollen.
Wer ist denn nun eigentlich das Christkind? Grundsätzlich ist es das Jesuskind. Im Gegensatz zur eindeutigen Männlichkeit meines Vaters ist aber die Frage, welches Geschlecht das Christkind eigentlich hat, nicht klar beantwortet. Jesus war Gottes Sohn. Das Christkind wird aber auch engelsgleich und weiblich dargestellt. Das deckt sich mit meiner kindlichen Vorstellung. Das Outfit war ein Kleid mit viel Glitzer, ähnlich Swarovski, und langem fülligem Silberhaar.
Dank des modernen Trends der Genderneutralität muss die Geschlechtsfrage heute vermutlich gar nicht mehr beantwortet werden. Jeder und jede kann alles tragen und sein. Also DAS Christkind. Ok.
Störend bleibt aber die hohe Arbeitsbelastung des Christkindes. Kinderarbeit ist schliesslich verboten, ganz besonders abends. Von all der Schlepperei ganz zu schweigen. Das gibt ruckzuck Rücken.
Der Stammbaum ist auch interessant. Der Vater des Christkindes ist eigentlich Josef, Marias Verlobter. Streng genommen ist er aber nur der Adoptiv-Vater. Kürzlich war ich in einem Gottesdienst in einer Kirche, deren Schutzpatronin Maria ist. Hier erfuhr ich, dass Josef sich kurz überlegt hatte, Maria zu verlassen, da er so etwas wie ein Kuckuckskind bekommen würde. Er hat sich dann bekanntlich anders entschieden. In diesem Zusammenhang stelle ich fest, dass die heilige Dreifaltigkeit sowieso immer wieder mein Vorstellungsvermögen sprengt. Aber darum heisst es auch „Glauben“ und nicht „Wissen“. Wir müssen nicht alles bis ins Detail verstehen.
Da macht es uns der Weihnachtsmann einfacher. Vater unbekannt, am ehesten kommt Coca Cola infrage. Eindeutiges Geschlecht, ein gestandener Mann in besten Jahren, belastbar und perfekt organisiert mit seinem Logistikunternehmen. Er arbeitet, so denke ich, aber nur Teilzeit. Einkauf und Lagerhaltung finden vermutlich ab Sommer statt, im Aussendienst ist er dann Mitte/ Ende Dezember anzutreffen. Man könnte ihn also auch als Saisonarbeiter bezeichnen.
Während des gesamten Jahres muss er allerdings eine Weihnachtsdiät einhalten. Schliesslich hat er spezielle Arbeitswege und will elegant durch alle Kamine rutschen können. Nicht auszudenken, sollten sie zu eng sein und der gute Mann aufgrund von Übergewicht mit seinen Gaben steckenbleiben. Und sein Outfit sollte alle Jahre wieder festlich aussehen und gut sitzen. Diese figürliche strenge Berufsauflage teilt er übrigens mit allen Models, ausser denen für XL- Grössen.
Nach den Festtagen gehts ihm vermutlich besser als den meisten von uns. Denn wir neigen über Weihnachten ja eher zum Zunehmen. Der Weihnachtsmann ist in diesen Tagen aber derart im Stress, dass ihm die letzten Kilos nur so schwinden. Die Hose rutscht. Er hat jetzt einen kurzen zeitlichen Puffer, in dem er sich ein bisschen was gönnen darf. Aber allerhöchstens bis zum erneuten Saisonbeginn.
Ich wünsche ihm, dem Christkind und uns schöne Weihnachten. Ohne Rücken, aber mit viel Silberstaub.
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