CocoCarelle

Interessierte Leserinnen und Leser wie Ihr sind die wertvollste Motivation für mich zu schreiben.

Meine Werkzeuge sind die leichte Feder sowie der scharfe Blick fürs Unwesentliche. Ich nehme das Leben nicht auf die leichte Schulter, aber sehr gerne auf die Schippe. Bei mir gibts garantiert keine Schmink- oder Diättipps. Ich mags naturbelassen, echt und ehrlich.

Schwebt mit mir durchs Leben - ganz ungeschminkt und luftig leicht.

 

 

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(September 2020)

 

Es ist gar nicht so einfach, sich - vor einem weissen, leeren Blatt sitzend - irgendein Thema aus den Fingern zu saugen, was möglichst viele Leserinnen und Leser genauso ansprechen könnte wie mich. Besonders schwierig ist das, wenn draussen nur Schreckliches passiert - Corona, Naturkatastrophen oder Kriege sind Beispiele hierfür - oder sich generell nicht viel Schreibwürdiges ereignet. Magere Zeiten sind das für Leute wie mich.

Die Zeit der dünnen Informationen, gerne während der Sommerferien, wird in journalistischen Fachkreisen auch Sauregurkenzeit genannt. Ich frage mich allerdings, was die arme Gurke dafür kann, ist sie doch ein aussergewöhnliches und vielseitiges Gewächs. Längst kommt sie auch sehr gerne bio daher. Allerhöchste Zeit also, für die Gurke, sowohl in Schlangenform als auch als Essigfrüchtchen, eine Lanze zu brechen. Sie hat es nicht verdient, für Leere und Langeweile herhalten zu müssen. 


Die Gurke hört auch auf den Namen Cucumis sativus und ist verwandt mit den Kürbisgewächsen. Eine streng vegetarische Familie also. Auf jeden Fall hat die Gurke einen Migrationshintergrund. Auch wenn die Geister sich scheiden, ob sie nun von den Südhängen des Himalajas oder aus tropischen Regionen Afrikas stammt, muss man dem grünen Gewächs so oder so zugute halten, dass es sich bestens integriert hat. 

Schönheit, Gesundheit und Kraft sind die Spezialgebiete der Gurke. Dieser gurkige breite Leistungsausweis wurde gleich zwei Mal hintereinander mit der Auszeichnung „Gemüse des Jahres“ 2019 und 2020 gewürdigt. 


Als Namensgeberin der öden Nachrichtenzeit muss speziell die Essiggurke geradestehen. Das ist gemein und obendrein nicht richtig. Denn erstens möchte die Gurke nicht immer gerade sein, und ausserdem darf sie ja wohl auch mal einen schlechten Tag haben. Schlau wie sie ist, hat sich das Gürkchen darum einst selber geholfen: Kaum hatte es erfahren, dass sauer lustig macht, legte es sich kurzerhand in einen gewürzten Essigsud und hat sich prompt dabei krumm gelacht.

Die Essiggurke ist auch ein kleiner Kraftmacher. Vitamin K fördert die Blutgerinnung, und durch das gelieferte Natrium läuft die elektrische Spannung in den Körperzellen mit den optimalen Volt. Julius Cäsar wies nicht umsonst seine Kämpfer an, regelmässig saure Gurken zu verzehren. Und - wer sagt’s denn - auch mein Mann isst schon seit jeher instinktiv sein Schinkenbrot gerne mit reichlich Essiggürkchen garniert. Ja, er ist wirklich ein ganzer Kerl! Das weiss ich zwar schon lange, aber erst jetzt verstehe ich warum.


Neben dem rustikalen Image als saures Früchtchen möchte die Gurke aber zeitweise auch gerne vornehm daher kommen. Das übernimmt ihre Schwester, nämlich die Schlangen- oder Salatgurke. Am britischen Five o‘clock-tea feiert sie gerne in Form des Cucumber Sandwichs ihr nobles Stelldichein in der feinen Gesellschaft. Hier wird sie mit spitzen Fingern zwischen dünnen Weissbrotscheiben zu leisen Piano- oder Harfenklängen verzehrt. 
Und als wassertreibender Schlankmacher mit heisshungerdämpfender Wirkung ist die Schlangengurke für ödemtragende Vielfrässe wie mich genau richtig. Ich möchte auch sehr gerne gurkenschlank sein. Und schön und geglättet. Wie passend, dass sie sich auch in einer der berühmtesten Masken versteckt. Nach der Einwirkzeit recycle ich die Bestandteile zu 100% ökologisch abbaubar, indem ich sie direkt vernasche und verdaue.  


Traumatisch für jede Gurke war sicher die Vergewaltigung durch Bürokraten, die anscheinend noch grün hinter den Ohren waren. Folgendes Gedicht von Horst Hartmann bringt die damaligen Nöte, wie ich finde, sehr hübsch zum Ausdruck:
In Brüssel sitzen feine Pinkel / Die beschlossen es einmal /Der Gurke ihren Krümmungswinkel / Das war genial / Der Euro-Kommissar / Liess in den Himmel faxen / Die Vorschrift für das nächste Jahr / Wie Gurken müssen wachsen / Dem lieben Gott kann ich nur raten / Auf Erden so zu lten / Wie es die Bürokraten / Auch für richtig halten.  
Das hat die Gurke dermassen angegurkt, dass die Krümmungsverordnung ziemlich bald wieder abgeschafft wurde. 


Solltet Ihr generell keine Gurken mögen, habt Ihr vielleicht Freude an der Weihnachtsgurke. Ein knackiger Brauch, der wohl aus den Vereinigten Staaten stammt. Die Gurke aus geblasenem Glas wird im Baum aufgehängt. Der- oder diejenige, die sie trotz grüner Tarnung als Erste zwischen den Tannenzweigen entdeckt, bekommt ein zusätzliches Geschenk. 

 

Aber ganz egal ob nun sauer, krumm, vornehm oder weihnachtskitschig: Seid bitte nett zur Gurke. Sie hat es wirklich verdient.