CocoCarelle

Interessierte Leserinnen und Leser wie Ihr sind die wertvollste Motivation für mich zu schreiben.

Meine Werkzeuge sind die leichte Feder sowie der scharfe Blick fürs Unwesentliche. Ich nehme das Leben nicht auf die leichte Schulter, aber sehr gerne auf die Schippe. Bei mir gibts garantiert keine Schmink- oder Diättipps. Ich mags naturbelassen, echt und ehrlich.

Schwebt mit mir durchs Leben - ganz ungeschminkt und luftig leicht.

 

 

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(Juni 2021)

 

Mein Mann trägt jeden Tag ein frisches und glattgebügeltes Hemd. In seinem Job ist es vorteilhaft, wenn er adrett daherkommt. Viel zu bügeln gibt es dabei glücklicherweise nicht, denn erstens benutze ich den Spezialwaschgang mit Vorbügeln, und zweitens glättet sich der Rest von alleine, wenn mein Liebster nur einmal tief Luft holt und diese kurz anhält. Fertig ist der gepflegte Look. Glattgebügelt gefällt mir.


Das versuche ich auch regelmässig bei mir selber, blähe hierbei zusätzlich noch die Wangen auf, um auch für meine Haut einen nachhaltigen Glättungserfolg zu erreichen. Mein Bauch ist aber nicht rund genug für einen ausreichenden Bügeleffekt, und mein Gesicht ignoriert sämtliche Straffungsversuche seit Jahren konsequent. Spätestens, seit mich ein Kind einmal in seiner herrlich unbedarften Ehrlichkeit fragte, ob die Striche in meinem Gesicht sehr wehtäten, weiss ich, dass ich die optische Frischegrenze definitiv überschritten habe.

Der Blick in den Spiegel lässt mich trotzdem regelmässig staunen. Denn das, was ich sehe, deckt sich nicht unbedingt mit dem, was ich fühle. Eigentlich warte ich nämlich schon länger darauf, endlich so richtig erwachsen zu werden, souverän die Klippen des Lebens zu umschiffen, stets über den Dingen zu stehen und mich nicht so häufig aufzuregen. Das klappt längst nicht immer, aber zumindest immer öfter. Wenn ich jetzt noch ganz gelassen zu den Spuren stehen würde, die das Leben rücksichtslos an meinem Äusseren hinterlassen hat, hätte ich schon einiges erreicht.

 

Im Sommer des letzten Jahres sass ich mit einem kühlen Drink in der Bar meines Ferienhotels und guckte mich ein bisschen um. Durch das Beobachten von Menschen habe ich schon so manch Interessantes gelernt. 

Ooops, dachte ich plötzlich! Hatte ich tatsächlich schon so viel Aperol intus, dass ich bereits doppelt sah? Nein, auch beim nochmaligen Hinschauen war nicht der Alkohol schuld. Links von mir sass eine mittelalte Blondine. Die Nase war botoxgelähmt heruntergezogen, die Lippen schienen entfernte Verwandte eines aufgepumpten Schlauchboots zu sein, die Augenbrauen waren kriegerhaft tätowiert. Hinter den Ohren meinte ich einen kleinen Reissverschluss erkennen zu können - die Wangen waren straff wie ein gespanntes Segel.
Ein paar Meter weiter rechts sass exakt die gleiche Erscheinung!

Och, wie blöd war das denn gelaufen? Beide hatten anscheinend den gleichen Chirurgen erwischt! Gab es diesen Look im Sonderangebot? Frühjahrsaktion?


Ja, dann sitzt man halt auf einmal seinem eigenen Klon gegenüber. Wie sich das wohl anfühlen mag? Ob in diesem Zusammenhang der Begriff ‚Schönheitschirurgie` seine Berechtigung hat, sei einmal dahingestellt. Verunstaltung trifft es meiner Meinung nach eher.
Also, dann bleibe ich doch lieber die fröhliche Runzelfunzel, die ich nun einmal bin und bewege mich leicht knisternd wie ein verwelkendes Blatt durch mein Leben. Wenigstens knistert es bei mir noch. Zudem laufe ich auch nicht Gefahr, dass mein Mann aus Versehen die Falsche küsst, weil er mich mit meinem chirurgischen Zwilling verwechselt. Ein echter Vorteil! 


Hach, plötzlich fühle ich mich richtig gut! Wie ein Käse mit dem Reiz der Reife und dem vollmundigen, erlesenen Bouquet! Wie ein guter Wein, der jahrelang im Barriquefass ausgebaut wurde und samtig in Farbe und Geschmack betört!

Passend zum Äusseren habe ich auf jeden Fall auch meine charakterlichen Ecken und Kanten, an denen sich meine Mitmenschen stossen und reiben können. Dieses Relief gefällt mir, sowohl an anderen als auch an mir, definitiv viel besser als ein glatter, uniformer Charakter mit ebensolchem Gesicht.
Und was das Erwachsenwerden betrifft: Das kann ja nur noch besser werden. Ein paar Jahre Zeit hierfür bleiben mir hoffentlich noch!