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(November 2024)
Wenn ich mal wieder eine Kolumne fertig gestellt habe, schicke ich sie selbstverständlich ganz modern, nämlich per e-mail, an die Redaktion. Ich brauche keine Briefmarke, kein Kuvert, und es gibt keine Wartezeit. Das ist besonders von Vorteil, wenn ich mal wieder auf den letzten Drücker unterwegs bin. Subito kann meine Chefin alles lesen, bewerten und im günstigsten Fall für die nächste Ausgabe gebrauchen. Der heutige Modus heisst digital anstatt postal. Die Post kann ein Lied davon singen, die Einnahmen im Briefbereich brechen drastisch ein.
Der ganze Alltag läuft längst so. Leider bin ich technisch in etwa so interessiert und begabt wie eine Tüte Gummibärchen. Jedes Update bringt mich in Wallung. Alles sieht auf einmal anders aus. Es gibt neue Funktionen, dafür ist Altgewohntes abgeschafft. Liebhaber alter Werte sind in der digitalen Welt nicht willkommen, ja geradezu unpassend, sie humpeln der Zeit hinterher. Parkuhren mit Münzeinwurf werden immer seltener. In meiner Stadt kann das Nachttaxi nur noch per App bestellt werden. Fahrkartenschalter gibts noch, aber wie lange noch? Bankautomaten werden weniger. Ohne Online- Reservierung wird jeder Museumsbesuch zur Geduldsprobe. In manchem Restaurant kann nur noch per gescanntem QR- Code die Speisekarte eingesehen werden. Wer nicht rechtzeitig online für seinen Flug eincheckt, hockt garantiert ganz hinten direkt neben dem Klo. Der Schnellste gewinnt, und es wird immer schneller.
Der volle Akku im Handy samt Ladekabel hat heutzutage das Kleingeld im Portemonnaie abgelöst.
Und all die Passwörter! Schrecklich! Man soll ja nicht immer das Gleiche benutzen. Und sie müssen schön kompliziert sein, mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Zeichen. Manchmal muss ich diesbezüglich passen. Und habe womöglich bereits manches verpasst, weil mir das Passwort eine verpasst hat.
Neulich sprach ich mit einer Bekannten, die im Bildungsbereich tätig ist. Sie ist also durchaus gebildet. „Ständig muss ich mich umstellen, dauernd funktioniert das System wieder anders. Ich bin flexibel bis zum Erbrechen. Aber so langsam habe ich keine Lust mehr dazu. Dabei bin ich doch noch gar nicht so alt. Wie soll das denn noch werden? Irgendwann steige ich wahrscheinlich aus der ganzen digitalen Welt aus“.
Klar ist: Zumindest müssen wir uns gut organisieren. Zum Glück haben meine Bekannte und ich (erwachsene) Kinder. Wir brauchen sie regelmässig. Denn die jüngeren Menschen haben offensichtlich bereits einen digitalen Abschnitt im DNA- Strang eingebaut. Anders kann ich mir die Selbstverständlichkeit nicht erklären, mit der sie stets online und up to date sind. Zum Glück brauche ich kein Passwort zur Verabredung mit meinen Kindern.
Es gibt sie noch, die gute alte Kommunikation von Mund zu Mund.
Ich möchte nicht unbedingt in der Zeit der Dinosaurier unterwegs gewesen sein. Die Ära der Brieftaube ist mir aber durchaus sympathisch. Meinen Brief schön eingetütet, dem Vögelchen mit guten Wünschen und einer genauen Wegbeschreibung in den Schnabel geschoben, und ab die Post. Gute Reise. Anstatt Updates und Lizenzen braucht es nur eine Tüte gutes Vogelfutter. Das grösste Risiko war statt digitaler Virenangriffe die Vogelgrippe. Das Tauben- Navi musste dafür, glaube ich, nicht ständig aktualisiert werden. Zumindest stelle ich mir das so vor, aber mit Vögeln kenne ich mich grundsätzlich nicht so gut aus…..oh sorry, ich meine das natürlich nur im ornithologischen Sinn.
Nein, ich verschliesse mich der immer moderner werdenden Welt nicht. Kleingeld hat mich schon oft genervt, wenn es nicht ausreichend vorhanden war oder im Automaten immer wieder durchgerutscht ist. Tagelang auf wichtige Post warten zu müssen, kann sehr zermürbend sein. Grosse Distanzen sind mit FaceTime und WhatsApp mühelos zu überwinden. Alles hat eben seinen Preis. Wie die persönliche Gesundheitsvorsorge und die grosse Autoinspektion gehört heutzutage eben auch die digitale Hirnwartung dazu.
Solange ich noch einen Apfel ohne Apple-ID kaufen kann und kein Passwort brauche, um gedanklich in mein Inneres zu gelangen, bin ich eigentlich ganz zufrieden.
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