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(Februar 2021)
Neulich habe ich wieder mal im grossen Stil aufgeräumt. Im Kleiderschrank, im Bücherregal, in meinem Zuhause allgemein, in meinem Handy sowie in meinem Innenleben.
Der Kleiderschrank war hierbei das Einfachste. Die Regel, dass alles, was man länger als ein Jahr nicht getragen hat, eigentlich unnötig ist, stimmt für mich zu 95%. Ohne viel nachzudenken, packte ich die Stücke dann entweder in den Kleidersack oder legte sie zur Seite für Menschen, die ich kenne und von denen ich weiss, dass sie Freude daran haben werden. Beim Abgeben in dankbare, liebevolle Hände fällt der Abschied von den Textilien gar nicht so schwer. Aus den Augen, aus dem Sinn. Zumal ja ab und zu auch ein neues Teil dazukommt.
Das Bücherregal war schon schwieriger. Bücher zu entsorgen, hat für mich immer einen etwas respektlosen Beigeschmack. Aber warum eigentlich? Manchmal fühle ich mich demjenigen gegenüber, der mich damit beschenkt hat, undankbar, auch wenn ich weiss, dass ich das Buch vermutlich kein zweites Mal lesen würde, obwohl es mir gefallen hat.
Auch der geschichtliche Hintergrund mit verbotenen Büchern, die mittels Verbrennungen entsorgt wurden, spielt vermutlich in mein ungutes Gefühl mit hinein. Aber nach mehreren Umzügen weiss ich auch, dass jede Kiste, die eines Tages nicht gepackt werden muss, eine gute Kiste ist. Zum Glück gibt es bei uns in der Nähe einen Bücherflohmarkt, wo ich dann die Lektüre abgeben kann.
Beim Aufräumen stosse ich auch immer wieder auf irgendwelche Staubfänger, die zwar ganz nett aussehen, aber auf ewig nicht unbedingt herumstehen müssen. Nur die mit einem wirklichen Dekorations- oder Erinnerungswert behalten ihren Platz und verdienen es auch, regelmässig mit dem Staubmagneten gestreichelt zu werden. Die wichtigste Erinnerung findet sowieso in meinem Herzen statt. Hier ist der Raum unendlich gross und garantiert staubfrei.
Das Handy gestaltete sich wiederum erfreulich einfach. Chats und Kontakte, die für mich im Laufe der Zeit an Bedeutung, aus welchem Grund auch immer, verloren hatten, konnte ich einfach löschen. Ganz legal und straffrei entfernte ich sie rückstandslos aus meinem Leben. Ähnlich wie bei Tinder oder Parship. Da kann man sich auch sein Leben zurechtwischen. In die eine Richtung - schwups - verschwindet jemand, in die andere - wusch - darf jemand bleiben.
Nicht, dass Ihr denkt, dass ich in diesen Portalen unterwegs bin. Ich weiss das wirklich nur vom Hörensagen. Schliesslich habe ich auch schon einen Mann, und der reicht mir voll und ganz. Mit ihm habe ich alle Hände voll zu tun. Er darf selbstverständlich in meinem realen Leben bleiben und wird weder weggewischt noch als Sperrgut entsorgt. Abstauben ist bei ihm auch nicht notwendig. Er ist selbstreinigend. Vorsichtshalber hatte er aber während meiner Aufräumwut das Haus fluchtartig verlassen. Womöglich hatte er doch befürchtet, im grossen Abfallberg zu landen.
Mein Innenleben wurde mit dem allerkleinsten Aufwand bei der ganzen Aktion wieder auf Vordermann gebracht, nämlich mit gar keinem. Denn parallel mit dem Entsorgen von Klamotten, Kitschromanen, Kokolores und Kontakten kam mein Inneres allmählich und ganz automatisch in eine neue, saubere Balance. Die entstehende äussere Ordnung war fliessend auf meine innere übergegangen. Den Ballast des Überflüssigen hatte ich nicht nur aus den Schränken und digitalen Geräten verbannt, sondern auch aus meiner Seele. Ich konnte plötzlich wieder freier atmen und klarer sehen. Die Gehirnbahnen waren entrümpelt und neu gespurt. Ein schönes, befreites Gefühl war das.
Es wird nicht mein letztes grosses Aufräumen gewesen sein. Denn das Leben ist doch ein Kommen und Gehen von Menschen, Gegenständen und Erlebnissen. Die Spuren und Rückstände, die dabei entstehen, müssen gelegentlich geordnet und gesäubert werden. Oder ganz besonders aufbewahrt werden. Nur das wirklich Wichtige bleibt.
Ich bin vermutlich auch schon das ein- oder andere Mal beim Grossputz anderer entsorgt worden. Es ist mir aber nicht unbedingt aufgefallen und hat auch nicht zwangsläufig wehgetan. Das wird dann so seine richtige Ordnung gehabt haben.
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