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(Dezember 2020)
Alle Jahre wieder kommt es unaufhörlich näher gerückt, lässt sich nicht aufhalten, und es gibt auch fast kein Entrinnen. So auch dieses Jahr nicht. Kaum ein Ereignis ist so unnachgiebig. Die frohe Botschaft lautet: Bald ist Weihnachten.
Und jetzt ist es soweit. Der Advent ist da. Die Zeit der geduldigen Erwartung. Jede Woche ein Lichtlein mehr auf dem Kranz, immer ein kleines bisschen mehr Licht in der Dunkelheit. Die ersten Mandarinen, Lebkuchen und vorweihnachtlichen Genüsse. So sollte es zumindest sein. Ist es aber nicht.
Ich kann mich durchaus auf Weihnachten freuen, allerdings gerne zur rechten Zeit. Ihr ahnt es schon - ich bin kein weihrauchgeschwängerter, lamettaglitzernder Weihnachtsfan. Das Christkind kann allerdings nichts dafür. Die Menschen sind daran schuld, mit all dem, was sie rund um das Fest treiben und übertreiben. Seit spätestens Anfang Oktober also, bei milder Herbstsonne, sind die ersten Konsumgüter des Festes unübersehbar und wirken fast wie eine Drohung auf mich. Die Gestelle neben den Kassen der Supermärkte sind reichlich bestückt mit Lebkuchen, Dominosteinen und Zuckerkringeln. Auch mit schokoladigen Weihnachtsmännern bin ich zu dieser Zeit bereits mehrfach Aug‘ in Aug‘. Vermutlich habe ich die armen Kerle ganz böse angeschaut, denn ich frage mich wirklich, was sie im Herbst schon in den Läden zu suchen haben.
Ganz im Ernst: Kauft Ihr Euren Kindern oder Enkeln bereits im Oktober Schokoladenikoläuse? Nein, sicher nicht. Ihr nicht und ich auch nicht. Wer kauft sie dann?
Kulinarisch und besonders auch mein Lebensgefühl betreffend, befinde ich mich zu dieser Zeit noch ganz klar in der Spätsommer- und Frühherbstphase. Die letzten Himbeeren, die frischen Zwetschgen, Kürbisse und Feigen erobern meinen Kühlschrank, Backofen und Gaumen. Den bevorstehenden Winter möchte ich auch noch gar nicht zu sehr an mich heranlassen. Wenn die Zeit reif ist, also erst im Advent, gönne ich mir gerne die eine oder andere Weihnachtsnascherei. Ich habe dann aber auch längst wollige Pullover und warme Schuhe an und bin im passenden Wintermodus.
Es würde mich nicht wundern, sollte vielen Menschen der Appetit auf die weihnachtlichen Spezialitäten im Dezember längst vergangen sein. Ja - man kann jetzt auch wirklich so langsam an die Osterhasen und seine bunten Zuckereier denken... Dynamisch der Zeit stets vorauseilen - so kommt mir der Zyklus der Lebensmittelindustrie vor.
Und die Weihnachtsmusik! An jeder Ecke werde ich bedudelt. Bei meinen Einkäufen werde ich schonungslos beschallt mit Klängen, die mich zum intensiven Konsumieren motivieren sollen. Das Gegenteil ist bei mir aber stets der Fall: Ich suche schnellstmöglich den Fluchtweg aus dem Laden, um bald wieder meine Ruhe zu haben. Himmlische Klänge tönen für mich definitiv anders. Das ist für mich weder Dur oder Moll und gar nicht stimmungsvoll.
Als krönendes Highlight erfreut uns dann noch, kaum dunkelt es abends früher ein, die unvermeidliche Beleuchtung. Einfarbig oder bunt, gerne blinkend und in verschiedensten Formen und Motiven konkurrieren die Lichtinstallationen gegeneinander. Wenigstens in den letzten Wochen des Jahres kann jeder, der sonst im Leben keine grosse Leuchte ist, darauf hoffen, dass ihm oder ihr endlich ein Licht aufgeht. Ach, und die armen Kerzlein auf dem Adventskranz halten dennoch tapfer, bescheiden und traditionsbewusst durch.
Natürlich könnte ich mich von all dem nicht beeindrucken lassen und mit Scheuklappen und Ohrenschützern versuchen, diese reiz- und konsumüberflutete Zeit des Jahres unversehrt zu überstehen. Leider sieht diese Schutzkleidung aber ziemlich doof aus, und ich würde dabei auch Menschen übersehen, die ich nicht übersehen möchte und Dinge nicht hören, die durchaus hörenswert sind. Also wäre ein entsprechender Filter in Augen und Ohren nicht schlecht. Daran arbeite ich Jahr für Jahr, leider mit nur mässigem Erfolg. Immer wieder aufs Neue nervt mich dieser Weihnachtswahn. Am allermeisten freue ich mich, um ehrlich zu sein, wenn alles wieder vorbei ist
Ich bin mir gar nicht sicher, ob Jesus anlässlich seines Geburtstages dieses wochenlange, verfrühte und übertriebene Brimborium gutheissen würde. Die Feier ihm zu Ehren fiel damals ja eher bescheiden aus. Die Location war ein zugiger Stall mit einer simplen Krippe und einer überschaubaren Anzahl Gratulanten. Zu essen gab’s auch nicht viel. Entsprechend gibt es in der Bibel auch keinen Hinweis zu einer Diät direkt nach den Weihnachtstagen.
Und trotzdem ist aus dem Jungen was geworden....
Interessanterweise sagte Karl Valentin, berühmter Komiker, vor ungefähr 100 Jahren:
‚Wenn die stille Zeit vorbei ist, wird’s auch endlich wieder ruhiger‘.
Na, dann besteht ja doch Grund zur Hoffnung. Alle Jahre wieder. Aber leider auch die Erkenntnis, dass der Mensch anscheinend nicht besonders viel dazulernt.
Ich wünsche Euch dennoch ein frohes, entspanntes Fest!
Bleibt locker! Dann stürzt auch der Baum nicht so schnell um und der Tisch bricht nicht vor Festtagslast zusammen. Von den sich verformenden Hüften ganz zu schweigen!
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