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(April 2021)
Welche Jahreszeit ist Eure liebste? Als fanatische Skifahrer bevorzugt Ihr sicherlich den Winter. Die Piz Buin Bräunungsqueen liebt vermutlich den Sommer? Mit Frühlingsgefühlen im Bauch seid Ihr vielleicht gerne hormonstark und verliebt im Frühling unterwegs? Oder seid Ihr lieber gemässigt, was Hitze, hochalpinen Hüttenzauber oder hochfliegende Hormone betrifft, und liebt den Herbst?
Ich weiss auf jeden Fall, welche Jahreszeit meine ungeliebteste ist: der Winter. Auch wenn ich ganz gerne Ski fahre oder Schneeschuh laufe, ist es mir in den Monaten November bis Februar grundsätzlich zu kalt, zu nass, zu grau und zu neblig. Ich bin dann mehr drin als draussen, der Garten ist mehr grau als grün, meine Haut eher strapaziert als strahlend und die Laune eher lausig als lebendig.
Ich würde zur Alkoholikern, tränke ich soviel Glühwein, wie es für die gewünschte Wärme, die beschwingte Stimmung und die roten Bäckchen notwendig wäre.
Im nächsten Leben werde ich daher ein Murmeltier. Dieses herzige Geschöpf zeigt mir, wie es geht. Spätestens im September beginne ich damit, mir ein ordentliches Winterspeckpolster anzufressen, mit all den leckeren Sünden, die normalerweise streng verboten sind. Je fetter, desto besser. Das ist eine wirklich leichte Übung für mich, die mir übrigens ganzjährig gelingen könnte, nicht nur zur Murmelvorbereitung im Herbst. Gleichzeitig richte ich mir meine Höhle wohnlich ein. Mit viel Moos, Blättern und Liebe statte ich mein Winterlager aus und liege zwischendurch mal kurz Probe, damit im Winter auch alles stimmt.
So, und dann verabschiede ich mich von meinen Artgenossen und verschwinde unterirdisch. Wie schön zu wissen, dass ich in den nächsten Monaten nichts verpassen werde, denn all meine Murmelfreunde und Verwandte tun ja das Gleiche und tauchen ab. Wir freuen uns jetzt schon auf das Wiedersehen.
Meine warme Höhle ist wirklich kuschelig und saugemütlich. Hier darf ich friedlich, allein und ungestört sein. Jetzt noch fix den Bau dichtmachen und mit warmen Gedanken einschlafen. Ein süsser Wintertraum hilft mir über die nächsten Monate hinweg, in denen es oben dunkel, kalt, trüb und nass ist. Nichts Böses findet den Weg zu mir. Wie schööööön!
Aaaaaaaaaah!!!! Ich recke und strecke meine müden Glieder und blinzle vorsichtig aus meinem Bau heraus. Das grelle Licht blendet mich. Frische, zarte Frühlingsdüfte wehen meinem Näschen entgegen. Vorsichtig bringe ich meine Scharniere in Bewegung. Es knirscht etwas, ein bisschen Rost scheint sich gebildet zu haben, aber es wird. Langsam, aber sicher kehrt Leben in meinen Körper zurück.
Aus dem Nachbarbau kommt mein Mann herausgeklettert, ach, und daneben blinzelt meine Freundin auch schon verschlafen in den Frühling hinein. Wie schön ist es, Euch alle wiederzusehen! Fast erkennen wir uns nicht mehr. Wir sind alle sagenhaft schlank geworden. Eine Frühjahrsdiät, um die Weihnachts- und Winterpfunde loszuwerden, ist nicht nötig. Und unsere Haut strahlt mit dem Glow, den keine teure Creme hinbekommt, sondern nur ausreichender Schönheitsschlaf, und zwar vor Mitternacht. Oh - mein Herz hopst vor Freude - da hinten sind auch meine Kinder wieder. Meine Güte, sind die gross geworden! Sie sind bereits wild am Herumtollen und Spielen. Typisch Jugend.
War es tatsächlich im vergangenen Jahr mal so, dass mein Mann, meine Kinder, meine Freunde und ich uns zwischendurch auch mal auf den Geist gegangen sind? Ich kann mich kaum daran erinnern. Der lange Schlaf hat alles geglättet und vergessen gemacht. Unsere Wiedersehensfreude ist übergross. Die Liebe siegt. Etwas anderes gibt es gar nicht mehr. Wir sind energiegeladen, voller Lebensfreude und bereit für das wiedererwachte Leben. Allerdings ist ein sofortiger Friseurtermin bei uns allen unumgänglich!
Aber leider bleibt das Murmelleben nur ein schöner Wunschttraum. Durch den Winter muss ich Jahr für Jahr tapfer durch. Nur mit Trick 17 und Selbstüberlistung finde ich frühmorgens, wenn's dunkel und kalt ist, den Weg aus den warmen Federn heraus. Ich habe auch die gelegentliche Neigung zum Genervt- und Gestresstsein. Im Winter ist das immer viel ausgeprägter als im restlichen Jahr.
Daher bevorzuge ich definitiv Frühling, Sommer und Herbst. Auch wenn ich seit 25 Jahren hormonell ausgeglichen in ein- und denselben Mann verliebt bin, von zu viel Sonne Sonnenbrand und Altersflecken und im Herbst bereits wieder Angst vor dem Winter bekomme.
Ich werde wohl oder übel oberirdisch bleiben und versuche, mir besonders frohe Gedanken zu machen und das graue Wetter mit der sonnengelben Brille schönschauen.
Und ich kann mir bereits vor Frühjahrsbeginn einen Friseurtermin besorgen! Jeder noch so kleine Winterbonus zählt!
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