Klickt auf den jeweiligen Text oder das Bild, damit Ihr alles lesen könnt
(Februar 2023)
Das Leben finde ich meistens ganz schön, aber auch immer wieder ganz schön anstrengend. Der Alltag fordert von uns allen seinen Tribut. Um so verständlicher, dass ab und zu mal Ferien angesagt sind, um Abstand von allem und neue Eindrücke zu gewinnen sowie frische Kräfte zu schöpfen.
Besonders angesagt hierfür sind sogenannte Wellness- Weekends. Das ist schon lange ein fest eingedeutschter Begriff in der Ferien- Community.
Das Wellness- Weekend verspricht kurzzeitige intensive Erholung vom Alltagsstress. Massagen, Personal Training und vitaminreiches Essen ohne unnötige Kohlenhydrate, dafür mit viel grünen Gemüsesmoothies entschlacken, lassen einen sich im wahrsten Sinne des Wortes entfalten und wecken zumindest den Vorsatz, ab sofort gesünder zu leben. Innerhalb weniger Tage wird die Wellnesserin zu einem rundum erneuerten Menschen. Wie ein frisch entpuppter Schmetterling entfliegt sie farbenfroh und prachtvoll dem Kokon (in diesem Fall dem Wellnesshotel). Wie man die Worte ‚Nackenverspannung‘ oder ‚Knitterfältchen’ schreibt, ist uns kurzzeitig entfallen, so locker sind jetzt alle drauf. Ach, leider hält dieser tolle Zustand nicht allzu lange an.
Hm. Geht Wellness nicht auch anders?
Doch, anscheinend schon, wie ich auf meiner Reise in die Sommerferien erfahren durfte.
Ich hatte schon lange Sehnsucht nach dem Meer. Das liegt leider nicht in unmittelbarer Nähe, so dass ich, um hinzukommen, in ein Flugzeug steigen musste.
Mit dem Flugticket buche ich jetzt übrigens immer ein neues, blödes Gefühl dazu, nämlich die Flugscham. Das ist wirklich kein Upgrade, sondern eher ein Downgrade. Dieses Gefühl gehört mittlerweile aber zum guten Ton und schlechten Öko- Gewissen dazu, auch wenn mein CO 2 Fussabdruck hierdurch kein bisschen kleiner wird und es dem Klima damit wirklich nicht besser geht. Ich weiss.
So richtig übel wie meinem Gewissen ging es mir selber auf dem letzten Flug aber nicht. Echt schade, wie Ihr gleich verstehen werdet.
Bequem in meinem Sitz installiert, durchforstete ich sofort die Sitztasche vor mir, um mich darauf vorzubereiten, wie ich mich bei einer eventuellen Evakuierung zu verhalten hatte und wohin mich mein Fluchtweg führen sollte. Ich stiess dabei auch auf ein kleines Papiertütchen, normalerweise bekannt als Spucktüte. So profan sollte sich mein Flug aber nicht gestalten. Hier erbrach man sich vornehm. Das Tütchen nannte sich nämlich sehr elegant Your Personal Wellness Bag.
Oh! So viel eingetütetes Wohlbefinden durch Turbulenzen, die einem den Magen durchschütteln und schlussendlich umdrehen - das fand ich eine verheissungsvolle Vorstellung.
Meine Personal Wellness Bag! Sie machte es möglich. Ohne Mehrkosten und grossen Aufwand sollte es mir so richtig wohlig ergehen. Die Wellness Bag klang fast so edel und teuer wie die hippe Designertasche (Stichwort Kelly Bag). Ich hielt das aparte Papiersäckchen andächtig in meinen Händen und wartete ungeduldig darauf, dass mir hoffentlich bald so richtig schlecht würde und ich mich dann ganz gediegen in die Wellness Bag hineinwellnessen könnte, hinterher sowie keinen Appetit mehr hatte und ich mich dann nach überstandener Übelkeit wie neugeboren fühlen dürfte. Statt an einem grünen Smoothie würde ich mich an einer grünen Gesichtsfarbe erfreuen. Und meine Jeans würde ein bisschen lockerer sitzen. Sogar ohne Personal Trainer.
Daraus wurde aber leider nichts. Das Wetter war zu gut und der Pilot zu verantwortungsbewusst, so dass das Tütchen nicht zum Einsatz kam.
Oh, mir schwant, dass ich da etwas ganz falsch verstanden habe. Stimmt. Denn meine persönliche Wellness entsteht - das muss ich hier jetzt korrigieren - am allerbesten ganz anders: Auch wenn ich Massagen, hübsche Hotels und grüne Smoothies durchaus gerne mag, so wellnesse ich am liebsten ganz profan im Alltag. Dafür brauche ich übrigens auch keine It- Bag. Mit Menschen, die mir gut tun, Erfüllung in meiner Arbeit und meinen Hobbies, durch tagtägliche Selbstfürsorge, bewusste Dankbarkeit für mein friedliches und gesundes Leben, im Einklang mit mir selber, und dabei durchaus unterstützt durch Grünfutter:
Damit fühle ich mich wohl. Und diese Wellness- Wirkung hält tatsächlich länger als nur für ein Wochenende an. Nichtsdestotrotz - ich werde immer wieder verführerischen Reiseversuchungen mit Genuss verfallen. Etwas anderes kommt mir gar nicht in die Tüte.
© 2022 cococarelle.com